Was will Marc uns nur mit diesem seltsamen Satz sagen?
So lasst mich etwas genauer ausführen. Wer zu faul ist zum Lesen, der kann immer je Abschnitt das TL;DR lesen.
Das Segel (Problem Teil 1)
Wie vielleicht manche von euch wissen, ist Discord kein privater Messenger. Das sollte uns allen bereits lange bekannt sein. Aber viel schlimmer als einfach nur „nicht privat“ ist es, wenn ein Kommunikationsprogramm zur Spionage-Software verkommt. Und das ist nicht irgend ein Kommunikationsprogramm, wir alle nutzen Discord täglich und mit allen unseren Freunden.
Aber warum ist das jetzt ein Problem? Ich habe doch nichts zu verstecken! Ja, den Satz habe ich auch in dem Kontext schon oft gehört und er ist nach wie vor eine der dümmsten Aussagen zu der Thematik. Discord liest nicht einfach nur unsere Nachrichten mit, sondern Discord verfolgt jeden Mausklick von uns und jedes Geräusch im Voicechat. Discord merkt sich jedes Programm, welches wir auf unserem Gaming-PC starten und wie lange wir es nutzen. Discord weiß, mit wem wir kommunizieren, wie oft wir dies tun und welche Leute diese Person wieder kennt. Discord hat Zugriff auf verschiedene Dienste, mit dem wir es verknüpft haben (Spotify, Twitch, Twitter, …). Daher weiß Discord auch, welche Musik wir hören, welche Streamer wir schauen, was wir auf Twitter oder Instagram posten.
Vielleicht kann Discord daraus sogar politische Präferenzen ableiten oder in unseren Follows auch geheime sexuelle Vorlieben erkennen? An dieser Stelle geht es langsam zu Vermutungen über, aber zumindest die ersten Punkte sind erwiesen. Discord verfolgt uns auf Schritt und Tritt! Zumindest solange die Windows-App läuft. Ihr versteht, dass nicht jeder diese Masse an Daten über sich gerne und freiwillig heraus gibt.
Angenommen ich schicke euch ein Programm und bitte euch es zu installieren. Dazu sage ich euch ehrlich vorweg, dass es euch durchgehend überwachen wird, während es läuft und alle eure Nachrichten liest. Würdet ihr das kommentarlos installieren, oder würdet ihr dankend ablehnen? Wir alle kennen die Antwort.
TL;DR: Discord ist ein Alptraum in Sachen Datenschutz. Selbst WhatsApp ist minimal besser und das ist auch ein Alptraum.
Das Segel (Problem Teil 2)
Was wenn ich euch sage, dass Discord kein Geld verdient?
„Hä?! Aber ich bin doch Nitro-Abonnent und spende dadurch Geld oder so“, mögen jetzt manche von euch sagen. Nur ist das Problem, dass Discord Nitro nicht annährend alle Kosten deckt, die Discord zum Betrieb benötigt. Nicht einmal ein Drittel aller Kosten wird dadurch gedeckt, vermutlich noch viel weniger.
Aber wie existiert dann Discord nach so vielen Jahren überhaupt noch?
Ganz einfach, indem viele Investoren sehr viel Geld in das Projekt investiert haben. Aber das Problem an Investorengeld ist, dass dieses nicht ewig ausreicht und diese Investoren Profite sehen wollen. Früher oder später muss Discord also einen Weg finden, diese erwarteten Profite zu erreichen. Aber wie?…
Wenn ihr noch keine Idee habt, wie das möglich sein könnte, dann denkt noch einmal über Teil 1 des Problems nach.
Geht euch jetzt ein Licht auf? WIR sind der Profit. Unsere Daten sind der Profit. Discord sammelt und sammelt und sammelt, um uns entweder gottlos mit Werbung vollzumüllen oder zu verkaufen; Beides ist mies.
TL;DR: Wir sind das Produkt und werden früher oder später von Discord verkauft.
Das Segel (Problem Teil 3)
Ich beginne hier mit einem Gedankenspiel:
Stellt euch vor, es gäbe ein cooles Social Network für Gamer. Dieses Social Network ist sehr beliebt bei seinen Nutzern und wächst rasant. Alle deine Freunde nutzen es, auch du bist dort aktiv und liebst es.
Eines Tages werden Vorwürfe laut, dass es die Privatsphäre der Nutzer verletzt, Verträge bricht und böse Absichten hat.
Das Social Network verdient kein Geld und du fragst dich, wie es bestehen kann? Es wird von Investoren gefüttert, sammelt deine Daten und liest deine Nachrichten mit. Du und deine Freunde ignorieren das und hoffen, dass es sich klären wird und die Entwickler etwas verändern.
Eines anderen Tages verkündet das Netzwerk, dass es an einen asiatischen Großkonzern verkauft wurde. Dieser Großkonzern stellt kurz später das Netzwerk ein und kündigt den Schritt erst einen Monat vorher an.
Du bist entrüstet und schwörst dir, dass du nie wieder eine App von diesen Entwicklern nutzen wirst.
Jetzt zur Auflösung dieses rätselhaften Gedankenspiels:
Das Social Network existierte wirklich, unter dem Namen „OpenFeint“.
Es missachtete wirklich die Privatsphäre der Nutzer und lebte nur vom Investorengeld. Auch wurde es wirklich an einen asiatischen Großkonzern namens GREE verkauft und danach eingestellt.
Was wenn ich dir sage, dass OpenFeint und Discord VON DEN SELBEN ENTWICKLERN gegründet wurden?
Es klingt fast schon zu schön um wahr zu sein, aber es stimmt.
Ich zitiere den Wikipedia-Artikel von Discord:
„Das Konzept von Discord stammt von Jason Citron, der OpenFeint, eine Social-Gaming-Plattform für mobile Spiele, gegründet hatte, und von Stanislav Vishnevsky, dem Gründer von Guildwork, einer weiteren Social-Gaming-Plattform. Citron verkaufte OpenFeint 2011 für 104 Millionen US-Dollar an GREE, mit denen er 2012 Hammer & Chisel, ein Spieleentwicklungsstudio, gründete.“
TL;DR: Die Entwickler von Discord haben ihre Nutzer schon einmal gef*ckt. Sie werden es wieder tun.
Das Ruder (Lösung Teil 1)
Jetzt, da wir das Problem denke ich alle verstanden haben, können wir uns an eine Lösung setzen.
Neben Discord gibt es nur eine weitere Plattform, die genauso funktioniert: Guilded. Aber Guilded ist sogar noch beschissener als Discord, also vergessen wir das gleich wieder.
Eines Tages tauchte dann Revolt auf, mit dem Ziel eine offene und sichere Discord-Alternative zu werden. Aber Revolt wurde inzwischen „discontinued“ (open source Sprech für „keiner entwickelt weiter“). Meh.
TeamSpeak ist ja auch noch da. Es existiert endlich auch in Version 5 und ist uns allen gut bekannt. Aber TeamSpeak 5 ist sehr verwirrend aufgebaut und hat nach wie vor keinen Chat auf Servern. Es ist also immer noch TeamSpeak 3, nur mit einem hässlichen Design und Chat-Gruppen, die aber keine Server sind. Also mal ernsthaft, ich verstehe nicht, warum TeamSpeak so unfähig ist, ein modernes Programm zu entwickeln.
Ein Gedanke wäre es, jetzt einfach wieder auf TeamSpeak umzusteigen und sich extern in einem Gruppenchat zu verabreden. Und dann trifft man sich wie in den guten alten Minecraft-Zeiten auf dem TS und verbringt dort den Abend. Ging doch auch damals. Nur braucht es dann halt noch einen Messenger über den man separat schreibt. Schauen wir erstmal Teil 2 der Lösung an…
TL;DR: TeamSpeak existiert noch und funktioniert auch einwandfrei. Es fehlen nur ein paar moderne Funktionen.
Das Ruder (Lösung Teil 2)
Nun zu meinem momentanen Favorit als Discord-Alternative: Matrix.
Matrix existiert schon länger und verfolgt den Ansatz von föderiertem und dezentralisiertem Messaging.
Das Konzept lässt sich am besten verstehen, wenn man sich E-Mails vorstellt. Egal welchen Mail-Anbieter man nutzt, es können trotzdem alle miteinander kommunizieren. Ich habe eine Posteo-Adresse, Sören hat GMX, Player hat Gmail, aber das macht nichts, wir können dennoch eine Gruppenunterhaltung führen.
Genauso funktioniert auch Matrix, nur komplett verschlüsselt und mit modernen Chats statt öden E-Mails. Auch wenn ich matrix.org nutze und James hingegen sein eigenes matrix.jameskitt616.one, wir können problemfrei chatten.
Um sich von einem stinknormalen Messenger wie WhatsApp oder Telegram weiter zu unterscheiden, gibt es bei Matrix nicht nur Einzel- und Gruppen-Chats, sondern auch sogenannte „Spaces“. Diese Spaces sind im Grunde genommen eine Sammlung an Chats. Ich kann also einen Chat für Rainbow Six, einen für Musik und einen für Memes erstellen und diese alle einem Space hinzufügen. Dann muss ich nur noch meine Freunde in den Space einladen und sie können jetzt alle auf diese Chats zugreifen. Auch kann man auf Matrix Rollen verteilen (Admin, Moderator und Nutzer) und so größere Communities gut managen.
Und natürlich telefonieren, das geht auch. Und hier glänzt Matrix als Messenger. Denn statt die eingebaute Call-Funktion zu nutzen, kann alternativ auch in einem Chatroom die Jitsi-Integration verwendet werden. Dadurch verhält sich das Ganze eher wie ein Discord-Voicechannel und jeder kann joinen und leaven wann er will. Man kann sogar mit mehreren Geräten gleichzeitig beitreten. Dort kann dann der Bildschirm geteilt werden und die Kamera verwendet werden und so weiter.
In meinem Test hat die Bildschirmübertragung zwar noch nicht funktioniert, aber ich schätze mal, dass das bald behoben wird. Das ist eines der Beispiele, warum ich bisher relativ zögerlich beim Weiterempfehlen dieses Messengers war, es funktioniert eben noch nicht alles perfekt, wird aber mit jedem Mal besser.
Klar, Matrix ist nicht Discord und Matrix will auch nicht Discord sein.
Und Discord ist Matrix auch in Sachen User Experience um Welten voraus. Aber Matrix als Messenger kann auch problemfrei WhatsApp, Telegram und Signal ersetzen. Es ist privat und sicher, hat alle wichtigen Funktionen.
Ein weiterer Vorteil in Matrix liegt für uns darin, dass es uns ermöglicht, erst einmal eine Übergangsphase einzuleiten. Matrix hat nämlich neben Jitsi für Videokonferenzen auch weitere Integrationen und sogenannte „Bridges“. Eine Bridge stellt eine Verbindung zwischen mehreren anderen Diensten her. So kann man beispielsweise einen Discord-Chat mit einem Matrix-Chat verbinden und alle Nutzer sehen alle Nachrichten, egal auf welcher der beiden Plattformen sie geschrieben wurde. Wir haben das bereits in der Vergangenheit benutzt während der Gamescom und solange man nur eine Bridge gleichzeitig nutzt, klappt das super.
TL;DR: Matrix ist faszinierend, technisch fortschrittlich, aber etwas holprig in der Verwendung. Ein Test loht sich trotzdem.
Das Boot (Fazit Teil 1)
Um der Überschrift nun endlich einen Sinn zu geben: Das Segelboot ist Sinclear. Und bisher trieb es mit gehisstem Segel den Strom hinunter. Aber vor uns erscheint ein Abgrund und der ist tiefer als erwartet.
Unsere Pflicht ist es nun zu rudern und uns vor dem Abgrund zu schützen, so gut es möglich ist.
Wir haben mehrere Möglichkeiten vor uns. Wir könnten wieder TeamSpeak nutzen wie früher oder uns auf ein gänzlich neues Abenteuer mit Matrix einlassen. Wie auch immer wir uns entscheiden, wir müssen eine Lösung finden, mit der alle einverstanden sind, und die für die ganze Gruppe funktioniert. Eine Gemeinschaft geht nur miteinander und ich habe nicht das Interesse, euch grundlos irgendwas aufzuzwängen, auf das ihr keine Lust habt.
Daher keine Angst: Das bedeutet nicht das Ende von Sinclear und wir bleiben natürlich auch bis auf weiteres auf Discord. Aber ich will euch damit vor Augen führen, dass nicht alles Gold ist was glänzt und dass unser Dasein auf Discord nicht ewig währen wird.
Das Boot (Fazit Teil 2)
In Kürze werde ich einen Matrix Space für uns einrichten und allen Interessierten anbieten, dort einmal hinein zu schnuppern. Ebenso werde ich einen TeamSpeak Server einrichten, der alternativ dazu verwendet werden kann.
Ob wir eine dieser Lösungen jemals nutzen werden, ist nicht in Stein gemeiselt. Vielleicht tut sich noch eine weitere Option auf, die viel besser ist. Vielleicht wird Discord auch von einem seriösen Unternehmen gekauft und erhält anschließend zumindest minimale Privatsphäre und wir können bleiben. Oder ein Meteorit schlägt ein und wir sterben alle wie die Dinosaurier. Man weiß nie vorher, was passieren wird.
Halbe Bibel, ganzer Hu… ähm… in diesem Sinne stabil wer das alles gelesen hat. Und noch stabiler wer mich jetzt nicht für komplett durchgeknallt hält.
Nachher jemand Rainbow?
Und ganz am Ende noch eine Empfehlung: Schaut euch unbedingt dieses Video hier von Morpheus an. Er fasst alle Probleme von Discord sehr gut zusammen und erklärt alles auch für Laien verständlich: